Ich kann nicht schlafen, liege lange wach, wie immer eigentlich.
Meine Gedanken kreisen um die Kalorien, mein Wunsch nach Bewegung wächst, wie immer eigentlich.
Ich schaffe es dieses Mal nicht zu widerstehen, steige aus dem Bett und suche mir ein einstündiges Workout aus.
Zeit: 23 Uhr.
Angeblicher Kalorienverbrauch: 800 kcal
Mein geschätzter Verbrauch: 300-400 kcal
Nach dem Workout fühle ich eine bleierne Müdigkeit, jedes Körperteil fühlt sich unendlich schwer an. Ich liege im Bett, mit den Gedanken im Morgen, also im Heute.
Ich muss mich entscheiden ob ich mit auf die Beerdigung gehen möchte.
Es wäre mir so wichtig! Mitgehen, mittrauern, mitfühlen.
Meine Gedanken kreisen.
Mitgehen: Es wäre die erste Beerdigung nach dem Tod meines Vaters
Panik steigt in mir auf, alles in mir wehrt sich, ich kann nicht, ich kann es einfach nicht.
Noch nicht jetzt.
Ich suche Rat bei meiner Mutter, wir könnten uns ganz hinten in die Reihe setzen, sodass ich jeder Zeit raus gehen kann.
Ich bin voller Angst. Bilder ereilen mich. Ich fühle mich, als sei es gestern gewesen.
Die 15-jährige Tocher geleitet ihren geliebten Papa viel zu früh ins Grab.
Umgeben von den Mittrauernden fühle ich mich unendlich alleine.
Alle Bilder kommen hoch.
Mitgehen und mich der Angst und möglichen "Flashbacks", also rückkehrenden Bildern und Gefühlen stellen, riskieren völlig abwesend zu werden und vor Trauer zusammenzubrechen oder daheim bleiben, gedanklich dort sein, mit der Therapeutin sprechen, erst mal alles aufarbeiten?
Es ist die wohl schwerste Entscheidung die ich in der letzten Zeit treffen musste.
Die erste Beerdigung nach dem Tod meines Vaters.
Die Zeit geht weiter.
Papa ist nicht mehr da, Lauri, akzeptiere es!
Kennt ihr dieses Gefühl wenn man nach etwas besonders schönem oder schlimmen etwas wieder "zum ersten Mal" macht?
Seit dem Tod meines Vaters waren wir "zum ersten Mal" alleine ohne ihm in Frankreich, unser geliebtes Frankreich, wo wir zahlreiche Urlaube genossen haben.
"Zum ersten Mal" dann eben auch eine andere Beerdigung.
Ich war dort.
Ich hielt es nicht aus, schon beim Aussuchen der Kleidung brach ich in Tränen aus.
Dann in der Kapelle, Menschen die auch bei der Beerdigung meines Vater dabei waren, die gleichen Bänke, die gleichen Kerzen, Blumen über Blumen, lediglich der Sarg fehlte und auch das Foto.
Mir rannen die Tränen herunter, ich zitterte am ganzen Körper, die Bilder schossen mir vor Augen. Mein Herz schlug, ich schwitzte, bekam kaum Luft.
10 quälend lange Minuten musste ich aussitzen bis das Orgespiel einsetzte.
Ich krallte mich in meinem Arm fest. Schließlich kam der Pastor nach vorne und ich konnte nicht hören was er sagte. Es ist als sei ich nicht dort gewesen. Ich hörte Worte, doch sie waren so entfernt, Angst und Trauer überrollten mich, es schien mir als würde ich durch die Menschen hindurchsehen, ich bekam nichts mit.
Dann das erste Lied "Befiehl du deine Wege", die ersten Töne erklangen, robotterartig stand ich auf, drehte mich tränenüberströmt zur Tür und lief hinaus, dieser Schmerz war unaushaltbar. Ich setzte mich auf eine Bank und weinte unerbitterlich, mein Herz schlug unregelmäßig, mal stark, mal kaum spürbar. Ist das alles wahr? Sitze ich gerade wirklich hier? Das kann nicht sein!
Nachdem ich die Tränen etwas unterdrücken konnte ging ich zum Grab meines Vaters, ich hatte vor Augen wie schlimm er aussah, hatt seine Beerdigung vor Augen, ein Déjà vue!
Am liebsten würde ich mich selbstverletzen, den Schmerz entweichen lassen, aber es geht nicht, er bleibt in mir. In mir, so viel Hass und Ekel auf mich selbst.
Nach ein paar Minuten ging ich zurück zur Kapelle, wo kurze Zeit später die Trauergemeinde herauskam.
Am Grab noch mal ein emotionaler Moment und schließlich das "Essen danach"
Ich unterhielt mich mit der Mutter und der Schwester von dem Typen in den ich mal verliebt war, wir kennen uns ewig, sie haben alles mit Papa mitbekommen, lange geschichte.
Wir kamen auf Papas Beerdigung zu sprechen, sie fragten mich wie es mir ginge und dass es vollkommen okay sei, dass ich rausgegangen sei.
Auch sie fanden Papas Beerdigung einfach nur "schlimm", im Sinne von unfassbar "schön", emotional, schmerzhaft. Das ist aber auch ein anderes Thema.
Danach noch andere Gespräche, immer wieder war ich wie "weggetreten", bekam nicht mit wenn ich etwas gefragt wurde, nickte nur oder antwortete irgendeinen Schwachsinn.
Jetzt bin ich daheim und brauche Ruhe, Zeit für mich.
Alles ist wieder weg, ich weiß nicht mehr genau wie es auf dem Friedhof vorhin war.
Ich will hungern.
Ich will sterben.
Ich will das alles nicht mehr fühlen.
Oh man, es tut mir leid, dass du so fühlen musst. Dennoch bewundere ich, dass du trotz allem bei der Beerdigung warst. Auch, wenn es schrecklich war - du hättest es später sicherlich bereut, wärest du nicht gegangen. Und so hast du schonmal 'geübt', sodass du in Zukunft mit solchen Situationen ein kleines Bisschen besser umgehen kannst.
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