Hallo meine Lieben,
ich schreibe, weil mir schon seit längerer Zeit ein Thema unter den Nägeln brennt, welches ich selten angesprochen habe.
Ich bin nun seit fast 10 Jahren essgestört. Mit schlimmen Phasen und Klinikaufenthalten, mit so viel Hass und Tränen, mit Lügen und Verschwendung, mit verletztem Körper und verletzten Freunden, mit... so viel verlorener Lebenszeit.
Ich beschreibe mich selbst aktuell als stabil, zumindest ist mein Gewicht stabil, das kannst du jetzt gut finden oder nicht, ich finds semi gut.
Ich kann einigermaßen spontan essen (ausreichend nicht, aber immerhin), ich habe nur noch wenige fear foods und insgesamt geht es mir besser als vor einem Jahr.
Ich war nie einer der abgemagertsten Fälle, war nie kurz vorm Krankenhaus und auch sonst nicht bedrohlich krank und dennoch war ich einer der schwierigsten Fälle auf der Station in der Klinik, als "schwer essgestört" bezeichnete mich der Oberarzt.
Ich habe einen Wunsch - ich würde so gerne OFFEN reden.
Würde gerne in der Uni von meiner Geschichte erzählen, Menschen Mut machen, sich rechtzeitig Hilfe zu suchen, nicht zu warten bis der Körper aufgibt. Ich möchte erzählen, dass Essstörungen nicht immer offensichtlich und dennoch gefährlich sein können. Ich möchte erzählen, dass es mir schlecht ging und zum Teil geht, ich aber trotzdem eine Ausbildung abgeschlossen und mein Studium zur Hälfte geschafft habe.
ABER - ich traue mich nicht.
Da sind so viele Mädchen, die die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf sich ziehen. Die WIRKLICH krank sind. Jene, die ihre Krankheitszeit verschriftlicht haben, die keine 40kg mehr gewogen und mit der Sonde ernährt wurden, jene, die die "schlimmsten Fälle" waren.
Und genau da ist er Punkt, verglichen mit diesen Frauen war ich NIEMALS krank genug.
Aber, gibt es ein "krank genug" bei Essstörungen?
Ich würde so gerne mit Freunden offen reden, würde so gerne erzählen wie es mir ging und geht, aber ich traue mich nicht. Ich habe Angst nicht ernstgenommen zu werden, habe Angst belächelt zu werden, habe Angst getriggert zu werden.
Ich möchte erzählen, aber darf man das erst, wenn man "gesund" ist?
Ab wann ist man denn "gesund"? Wenn das Gewicht stimmt? Wenn du wieder ne Schweinshaxe essen kannst? Wenn dein Kopf keinen Stress mehr macht?
Ich würde so gerne erzählen und bin froh, meine Gedanken mit euch teilen zu können
<3
Es gibt kein "essgestört genug". Jede Essstörung, egal in welcher Ausprägung, ist es wert, dass darüber gesprochen wird. Ich verstehe aber deine Hemmungen - ich habe auch jahrelang mit niemandem darüber gesprochen, unter anderem aus Angst, dass die Leute dann sagen, dass man es gut da raus geschafft hat und man toll aussehe - obwohl man immer noch untergewichtig und mit dem Kopf voll in der Essstörung drin ist, was mich immer sehr getriggert hat. Denn toll aussehen = normal = auf keinen Fall zunehmen. Ich glaube, das ist auch eines der größten Probleme damit, wenn man offen reden will: Die Leute können so viel Falsches sagen oder Richtiges, das die Essstörung falsch interpretieren will.
AntwortenLöschenIch glaube nicht, dass man das Thema überall an den großen Nagel hängen sollte, aber wenn du in der Uni Leute hast, mit denen du gut klarkommst und die du so einschätzt, dass sie auf das Thema angemessen reagieren, denke ich, kannst du das Thema vor ihnen auch ansprechen. Dafür sind Freunde und engere Bekannte doch da.
Hey,
AntwortenLöschenegal was man hat. Es wird immer jemanden geben den es schlimmer getroffen hat. Am schlimmsten jene, die nicht mehr davon berichten können, weil sie den Kampf verloren haben.
Aber es kommt nicht darauf an welchen Schweregrad der Krankheit man hatte, sondern wie man damit umgeht. Denn jeder Mensch ist anders und was für andere schlimm ist, ist für andere nur ein kleiner Kampf und was für andere leicht ist, ist für andere schon ein Kampf um das Überleben. Vergleiche deine Essstörung nicht mit den von anderen. Es gibt immer unterschiedliche Einflüsse, Auslöser und Umgänge damit und dadurch ist jede Erkrankung individuell. Du bist zur Zeit stabil und kämpfst stetig dagegen an und deshalb kannst du verdammt stolz auf dich sein. Das wichtigste ist, das MSN kämpft.
Gruß, Lavida
https://seifenblasentraeumende.blogspot.de/?m=1
Ich habe auch schon ein Buch gelesen, dessen Protagonistin nie unter einen BMI von 16 gekommen ist. Was natürlich trotzdem untergewichtig ist, aber nicht dieses krasse Untergewicht, das alle immer mit Anorexie verbinden.
AntwortenLöschenGerade weil die Depression bei dir immer schlimmer wird, solltest du definitiv Hilfe in Anspruch nehmen. Und wenn es eine gute Klinik ist und du dir vorstellen kannst, dass sie dich weiterbringt, solltest du es vielleicht einfach mal stationär versuchen? Bist du wenigstens schon medikamentös in Behandlung?
Leider habe ich den Namen des Buchs vergessen. Fakt ist auf jeden Fall: Nicht der BMI sagt etwas über den Härtegrad der Krankheit aus, aber ich denke, das weißt du selbst. Dementsprechend hast du ebensosehr das Recht, darüber zu sprechen, wie die Leute, die einen BMI von 11 haben.
AntwortenLöschenDu hast den Kommentar abgeschickt.
AntwortenLöschenDie Medikamente würde ich aber auf keinen Fall absetzen, bevor es dir besser geht oder zumindest nicht ohne Absprache mit deiner Therapeutin. Die Gefahr, da noch tiefer reinzurutschen, ist da einfach viel zu groß.
Warum gibt es Probleme mit der Uni, wenn du in die Klinik gehst? Es ist keine Schande, ein Krankheitssemester zu nehmen. Das tun viele Leute aus diversen Gründen. Wenn es dir danach besser geht, war es das doch auf jeden Fall wert, oder? Ich denke auch, dass man selbst viel machen kann, aber manchmal ist das einfach nicht genug (was nicht heißt, dass du es lassen sollst). Ich habe es halt als Extremum an meiner Schulfreundin gesehen. Es ging über Jahre auf und Ab, letztes Jahr ist sie dann aber einfach total abgestürzt und hat alles versucht. Sport bis zum Erbrechen, hat sich gezwungen, trotzdem auf Partys zu gehen usw. Depression ist natürlich nicht Depression, das ist wohl auch das Komplizierte daran, und es kann durchaus klappen, dass du es auch ohne Klinik packst. Letztlich ist es ja auch deine Entscheidung, aber verwirf den Gedanken nicht zu schnell wieder.